Islands Norden - Etappe 3

Ich habe unglaublich schlecht geschlafen. Einer der drei Männer hat so laut und so unregelmäßig geschnarcht, dass ich jedes Mal, wenn sein Atem wieder aussetzte, befürchte habe er würde jetzt ersticken. Dann war es immer gefühlte fünf Minuten still bevor plötzlich ein lauter, knatternder Japser ertönte, der mich vom Einschlafen abhielt. Als ich, früh am nächsten Morgen, aufstehe um Kaffee zu kochen, schnarcht er noch immer. Jetzt erst sehe ich die drei Gewehre auf dem Küchentisch liegen. Das große Interesse für den Fuchs wird mir schlagartig klar und ich habe das Gefühl, den kleinen Vierbeiner verraten zuhaben. Ich bekomme ein schlechtes Gewissen und ärgere mich, so bereitwillig Auskunft gegeben zu haben. Irgendwie auch reichlich naiv zu glauben, mitten in der Nacht kommen drei Männer am Arsch der Welt und in Tarnklamotten in eine Hütte, weil sie bis eben ein bisschen Füchse beobachten und füttern waren.

Unser Frühstück fällt kurz aus. Mit Fuchsmördern wollen wir nicht länger in der Hütte bleiben. Wir hatten uns gestern so gefreut einen Polarfuchs gesehen zu haben. Und wir hatten gestern das Gefühl, dass er ein wenig gehumpelt hat. Jetzt wo das Bild zusammen passt, wollen wir hier weg, auch wenn die Menschen hier natürlich von der Schafzucht leben und der Fuchs die Schafe anfällt, das spielt für uns jetzt keine Rolle.

Das Wetter ist ziemlich garstig. Es regnet in einer Tour und wir stapfen durch das nasse Gras. Einen erkennbaren Weg gibt es nicht, dafür unzählige Trampelspuren, die sich verzweigen, wieder zusammenführen oder einfach ins Leere laufen. Wir merken schnell, dass es sich dabei um Spuren handelt, die Schafe über die Zeit in dem weichen und nassen Boden hinterlassen haben. Immer wieder stehen wir plötzlich vor einer großen Wollgraswiese, die Spur hört auf und wir stehen zwei Schritte weiter bis zum Stiefelschaft im Schlamm. Hinter der Wiese suchen wir dann den Weg, finden eine Spur und das ganze Spiel geht wieder von vorne los. Obwohl der Wegverlauf an sich nicht anstrengend ist - Die Trampelpfade verlaufen ohne größere Höhenunterschiede - macht eben diese Suche einem durchgehenden Weg die Etappe ziemlich mühselig. Das schlechte Wetter tut sein übriges: Auch die Pause, die wir heute einlegen, ist deutlich ungemütlicher als sonst. Wir verkriechen uns hinter den Mauerresten einer alten Ruine am Wegesrand, um so wenigstens etwas Schutz vor dem Wind zu bekommen. Trotzdem sind unsere Finger selten so klamm gewesen. Die Lust weiter zu gehen hält sich in Grenzen, doch der Auch nach einem trockenen Plätzchen triebt uns an. Wir versuchen uns mit Singen zu motivieren: Auf die Melodie von "Yellow submarine" lässt sich spontan ungefähr jeder Text dichten...

Am frühen Nachmittag kommen wir endlich an einer Hütte an. Entgegen der Angabe in der Karte ist sie nicht bewirtschaftet. Wir sind uns unsicher, ob wir wirklich an der richtigen Hütte sind, oder ob wir noch weiter laufen müssen. Der Karte nach sind wir richtig, aber die Hütte müsste laut Legende eigentlich größer sein als die drei vorherigen. Ich hatte sogar damit gerechnet, dass sie bewirtschaftet ist. Wir entscheiden uns, noch über die nächste Hügelkuppe zu schauen. Vielleicht sieht man oben vom Hügel ja das Dach der richtigen Hütte, also laufen wir weiter. Die steinige Piste die wir jetzt entlang laufen zieht sich langsam den Anstieg empor. Bei jedem Schritt spüre ich das Wasser zwischen meinen Zehen in dem nassen Stiefel hin und her laufen. Ich habe keine Lust mehr und Kati auch nicht, das weiß ich. Sie wäre gerne schon an der vorherigen Hütte geblieben. Trotzdem laufen wir weiter, pfeifen und singen "Männer mit Bärten" wie immer wenn wir uns motivieren müssen, und kommen schließlich oben auf der Kuppe an. Kein Dach in Sicht, 30 Minuten später stehen wir wieder vor der selben Hüttentür wie eine Stunde zuvor.

Die Stiefel trocknen über dem Kocher

Alles ist klamm und im Inneren der Hütte ist kalt und ungemütlich außerdem stinkt es irgendwie. Wir ziehen uns trockene Sachen an und als es später etwas aufklart, legen wir unser Zeug zum Trocknen in die Sonne. Meine Schuhe sind allerdings so durchnässt, dass ich sie versuche mit Hilfe meines Kochers zu trocknen. Ich klemme sie über Kopf zwischen zwei großen Holzscheiten ein und stelle den Benzinkocher darunter, so dass die heiße Luft direkt von unten in die Schuhe strömt.

Am Nachmittag hält ein Geländewagen vor der Hütte und zwei Männer laden Angelausrüstung und einen Grill aus. Sie kommen augenscheinlich schon zurück. Die zum Trocknen aufgehängten Kleidungsstücke in der Hütte hatten uns schon vermuten lassen, dass wir nicht allein sein würden. Die beiden Männer waren recht erfolglos, darum werfen sie sich ein paar mitgebrachte Steaks auf den Grill. Wir setzen uns dazu und machen uns auch etwas zu essen. Die Steaks riechen gut und uns läuft das Wasser im Mund zusammen. Wie lecker wäre jetzt ein richtiges Stück Fleisch anstatt unseres Trekkingtrockenfutters? Die beiden bieten uns von ihrem Rotwein an und wir werfen dafür etwas Studentenfutter in die Runde.

Nach dem Essen wollen sie sich um die Heizung in der Hütte kümmern. Außer lecken und stinken tut der große Ölofen nämlich nicht besonders viel. Bis zu den Ellenbogen stecken sie nach kurzer Zeit in dem Ofen und schöpfen ausgetretenes Öl mit Hilfe eines Jogurtbechers heraus. Wir bringen die Kleidungsstücke und Schlafsäcke aus der Hütte, in Sicherheit. Der Gestank ist unerträglich. Nach einer guten halben Stunde bollert der Ofen und wir reißen die Fenster auf, damit das verdunstende Öl nach draußen kann. Direkt im Anschluß kümmern sich die beiden noch um die Wasserversorgung und schließen auch die Toilette im Klohäuschen hinter der Hütte an. Wenn der gemeine Isländer schon keinen Fisch fangen kann, muß er sich irgendwie anders beschäftigen. Eine gute Stunde später läuft dann auch das Wasser in Küche und Toilette. Selten haben uns praktische Fähigkeiten mehr beeindruckt als in diesem Moment. Wie herrlich es doch diesem nassen Tag war, endlich im Warmen zu sitzen!

Da es am nächsten Tag regnen soll und der Pass den Kati und ich uns ausgesucht haben noch nicht begehbar sein soll, bieten uns die beiden an uns morgen früh mit dem Jeep in Richtung Akureyis mitzunehmen. Wir gehen zeitig ins Bett. Nachdem es die ganze Nach derart gestürmt hatte, dass der Wind nur so ums Haus pfiff und das Geschirr auf den Regelbrettern klirrte, der Schneeregen fast waagerecht am Fenster vorbei fliegt, nehmen wir die Mitfahrgelegenheit sehr dankbar an.

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