Indian Summer im Harz

"Wandern ist voll leicht! Ich bin der Erste auf dem Brocken!". Luca läuft an mir vorbei, stützt sich beim Laufen immer wieder auf seinen selbst geschnitzten Wanderstock und springt von Felsblock zu Felsblock. Er hat seine "Wanderhose" mit den großen Beintaschen an und eine Schiebermütze auf. Aus einer Tasche hängt die Schnur die sein Taschenmesser sichert.

Wir sind dieses Wochenende mal nicht in Alpen gefahren, sondern in den Harz. Naja, eigentlich besuchen wir meine Schwester, Jan und Luca in Göttingen, und bei der Gelegenheit wollen wir gemeinsam im Harz wandern gehen. Meine Schwester hat Luca im vornherein schon Geschmack aufs Wandern gemacht, in dem sie die Legende von Hauke und Kati aufgebaut hat, die ununterbrochen in den Bergen unterwegs sind und dort Abenteuer erleben. Ich habe die Geschichten mit ein paar Karwendel-Fotos, vom Sonnenuntergang auf der Birkkarspitze untermauert. Offensichtlich haben wir die Abenteuerlust meines Neffen geweckt. Die Vorfreude ist groß und seine Augen leuchten, als wir ihm am Vorabend von unserem Plan, auf den Brocken zu wandern, erzählen. Schnell wird der Rucksack mit den wichtigsten Dingen gepackt: Das Taschenmesser, eine Schnur, das Vogelbestimmungsbuch und das Überlebensbuch für Kinder, dass ich ihm aus meiner eigenen Kinderbibliothek mitgebracht habe. Ich fand, soetwas braucht irgendwie auch wenn wir wohl nicht in die Verlegenheit kommen werden ein Signalfeuer zu machen oder Wasser aus feuchtem Sand zu gewinnen. Hoffentlich!

Am nächsten Morgen brechen wir direkt nach dem Frühstück auf. Wir fahren mit dem Wagen bis nach Schierke und parken auf dem Parkplatz des Brocken-Coasters, einer kleinen Achterbahn. Es ist ein wunderbarer Herbsttag, die roten und gelben Blätter leuchten in der Sonne und die hat noch genug Kraft, um uns auf Jacken verzichten zu lassen. Es riecht nach Laub und nach Harz, wie Merle sagt. Der Weg führt vom Parkplatz, durch bunten Mischwald, vorbei an großen moosbedeckten Steinen, zum Bahnhof der Brockenbahn und folgt dann der Bahnlinie nach Westen.

Als wir nach etwa 15 Minuten den Bahnhof erreichen fährt gerade dampfend und zischend die Brockenbahn ein. Jetzt riecht es nicht mehr nach Herbst, jetzt stinkt es. Wir sehen uns die Bahn eine ganze Weile an. Ich weiß nicht, ob ich schon mal so dicht an so einem rot-schwarzen Monster dran war, es ist schon faszinierend. Ich mache einige Fotos während sich die anderen wieder auf den Weg machen.

Der Weg ist bis zum Einstieg in den Teufelsstieg ein breiter Forstweg, Kati und ich würden es wohl Waldautobahn nennen. Es bieten sich immer wieder schöne Weitblicke in Richtung Süden, der Weg selbst ist aber etwas langweilig zu gehen. Es fängt dann aber an Spass zu machen als wir an der Stempelstelle, überall im Harz stehen diese verteilt und man kann über 200 von ihnen in einem Heftchen sammeln um sich eine Wandernadel zu verdienen, in den Teufelsstieg abbiegen. Der Weg ist schmal und mit großen Steinenbrocken bedeckt. Wir versuchen immer von Stein zu Stein zu springen, besser als drum herum zu laufen oder drüber zu steigen. Lucas Stimmung schlägt sofort um, hatte er eben noch behauptet ihm würden die Beine wehtun, läuft er jetzt voran und hat sichtlich Spass. Es entwickelt sich nach kurzer Zeit ein Rennen, Luca will gewinnen. Weil er seine Kräfte aber einfach noch nicht so gut einteilen kann, bleibt er immer wieder stehen und setzt sich dann, unter dem Vorwand, unbedingt an seinem Stock schnitzen zu müssen, auf einen der großen Felsen, zieht an der Schnurr, die aus der Hosentasche hängt und beginnt mit der Arbeit. Vielleicht hat er aber auch einfach noch Bedenken, so weit vorzulaufen und so weit von seinem Vater entfernt im Wald zu sein? Das Tempo das er nach den Pausen anschlägt spricht nämlich eigentlich gegen die Müdigkeitsthese.

Blick vom Brocken

Der Weg endet dann recht abrupt, direkt an der Asphaltstrasse, die zum Gipfel hinauf führt. Eine richtige Völkerwanderung findet hier statt. Zwischen Spaziergängern bahnen sich auch Radfahrer ihren Weg zum Bahnhof der Brockenbahn, den Wurstbuden und der großen, charakteristischen Wetterstation, die man aus dem gesamten Umland sehen kann. Im kalten Krieg verlief die innerdeutsche Grenze direkt über den Berg, seid dem 3. Dezember 1989 ist er wieder für Wanderer zugänglich.Luca hat sich jetzt seine Rennwurst verdient und weil es ja auch irgendwie ein besonderer Tag ist, gibt es sogar einen Almdudler.

Für den Rückweg benutzen Luca und Jan die Brockenbahn. Eine Fahrt war mit dem Parkticket für 27€ bereits bezahlt und Kinder kosten dann auch "nur noch die Hälfte"... 'n Schnapper also! Merle, Kati und ich gehen zu Fuss, 27€ das sind ja schließlich über 50 Mark. Den Fuchs, der oben am Brocken durchs Gras schleicht und versucht unbemerkt zu den Mülleimern zu gelangen, sehen daher leider nur noch wir drei.

Kurz unter dem Gipfel des Brocken schleicht ein Fuchs durchs Gras.

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