Islands Norden - Etappe 2

Die Sicht ist so schlecht, dass wir weder die Gipfel der umliegenden Berge, noch den Pass den wir heute heute überqueren, geschweige denn die andere Seite des Fjords sehen können. Kati macht ein Gesicht, das ich gut zu deuten weiß. Das Wetter und die Warnungen von Jon, bei Nebel sei die Tour schwierig, machen ihr Angst. Sie plädiert dafür, noch eine Stunde zu warten, damit sich der Nebel verziehen kann. Ich bin zwar davon überzeugt, dass es sich bei dem Nebel um tief hängende Wolken handelt durch die wir am Pass hindurch kommen würden, wir warten aber und brechen eine Stunde später auf als sonst.

Wir laufen durch die dichte Suppe, aber tatsächlich wird es, je höher wir kommen, lichter und oben am Pass herrscht strahlender Sonnenschein. Unter uns liegt ein weißes Meer aus Wolken, aus dem, auf der gegenüberliegenden Fjordseite, die Berge heraus ragen. Direkt auf dem Pass machen wir, geschützt hinter einem Felsen, eine Schoko-, Keks- und Nüsschenpause. Wir sind mittlerweile wieder fast zwei Stunden unterwegs und unser Rhythmus schreibt ja diese regelmäßigen Pausen vor. Da wir uns auf einer Halbinsel befinden und die Sicht auf der anderen Seite des Passes klar ist, können wir bis zum Meer hinabsehen. Bis dort sind es sicherlich noch zwei Stunden. Aber genau da wollen wir hin: Um den Fluss zu überqueren, der sich durch das Tal schlängelt, müssen wir bis zu seiner Mündung ins Meer absteigen, den nur dort soll das Furten möglich sein. Direkt an der Mündung steht eine weitere Hütte die schon für unser Mittagspause eingeplant ist.

Die Hütte stellt sich später als zwar nett, aber bei weitem nicht so komfortabel heraus, wie die Romantik-Lodge, die wir heute Morgen verlassen haben. Es ist alles vorhanden was man benötigt und es ist deutlich besser als jede Biwakschachtel in den Alpen, aber jetzt scheinen wir auf Ewig verdorben zu sein.

Nach der Mittagspause durchqueren wir den Fluß und versuchen den Weg in dem steilen Hang zu finden. Es ist nicht einfach, immer wieder verlieren wir den kaum sichtbaren Pfad, außerdem ist der Aufstieg mit den schweren Rucksäcken querfeldein durchs Geröll des sonnenbeschienen Hangs mühsam. Wir haben aber oben an der Wand eine Stelle ausgemacht, die wir für den Übergang halten und kurz bevor wir diese Stelle erreichen, finden wir auch den Pfad wieder.

Wir befinden uns jetzt hoch über dem Meer, unter uns geht es, sehr zu Katis Unbehagen, nur noch steil hinab. Der Weg erweist sich dann aber als weniger ausgesetzt als vermutet: Nach einer kurzen, für Kati spannenden Passage über ein Geröllfeld mit mehr Meerblick als erwünscht und einem kurzen Stück über ein Altschneefeld, führt uns der Pfad auf ein steiniges Plateau. Ein paar Steinmännchen markieren hier oben den Weg. Vor uns, tief unten, sehen wir die nächste Bucht und ganz klein das rote Dach der dritten Hütte. Ich bin gespannt, ob wir hier den Dutch Mountaineering Club treffen werden. Wir haben in den Hüttenbüchern ihre Einträge gelesen und sie sind gestern genau eine Tagesetappe vor uns gewesen. Da wir heute zwei Etappen zusammenlegen, besteht also heute Abend die Möglichkeit aufzuschließen. Doch zunächst müssen wir in de Bucht hinabsteigen. Mit abnehmender Höhe verläuft der Pfad bald wieder zwischen Büschen, das Geröll weicht Morast und schließlich stehen wir zwischen lauter Treibgut am steinigen Strand. Angespülte Schiffsbohlen liegen hier neben Seilen und rostigen Bullaugen. Aber am meisten freuen wir uns über den etwa einen Meter langen Knochen - wir einigen uns auf Walrippe.

Als wir die Hütte nach mehr als einer Stunde erreichen ist diese leer, es ist also kein DMC zugegen, und im Hüttenbuch hat sich heute auch niemand eingetragen. Wir machen uns keine Sorgen, aber komisch ist es schon. Waren sie hier und sind weiter gelaufen oder haben wir es irgendwie geschafft zu überholen und nachher steht eine Gruppe Holländer in der Tür? Wir werden es sehen. Jetzt besorgen wir aber erstmal Wasser und machen Abendbrot. Nach dem langen Wandertag sind wir beide ziemlich hungrig. Das Wetter hat sich, wie angekündigt, verschlechtert. Es ist naßkalt und windig. In der Hütte ist es nicht besonders gemütlich, darum klettern wir frühzeitig ins Bett und schlafen ein.

Um 3:30 wachen wir plötzlich auf. Jemand macht die Hüttentür auf und drei Gestalten betreten den Raum. Sie funzeln mit ihren Lampen in der Hütte herum und fangen an sich etwas zu essen zu machen. Mittlerweile haben sie uns in unserm Bett bemerkt und sprechen uns an. Sie erzählen uns, dass Sie auf der Suchen nach einem jungen Fuchs sind und fragen ob wir ihn vielleicht gesehen haben. Tatsächlich hatten wir, hinter der Hütte an der wir Mittagspause gemacht hatten, einen Polarfuchs gesehen und erzählen von unserer Begegnung. Wären die drei am Tisch sitzen und essen, nicken Kati und ich langsam wieder weg.

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