Jotunheimen in a nutshell

Ein hohler Zahn und warum man auf seine Sachen aufpassen sollte.

Bevor wir nach Tyinkrysset kamen, hatten Andi und ich eine fast 40km lange Asphaltetappe vor uns. Wir starteten früh morgens, um rechtzeitig anzukommen Und noch einkaufen zu können. Das Wetter war ok, nicht super aber doch zum größten Teil trocken und der Wind kam meist von hinten. Statt der üblichen 60:30 Pausenregel probierten wir heute mal den 50:10 Rhythmus aus. Es war entlang der Strasse eh nirgends so schön, dass man lange hätte sitzen bleiben wollen. Als wir am Nachmittag ankamen, taten mir aber extrem die Füße weh. Und auch am nächsten Tag, ich legte wieder einen Ruhetag ein, spürte ich meine Füße noch deutlich. Das war in den vorherigen Wochen an keinem einzigen Tag so gewesen.

Zwei Tage später, breche ich zeitig auf. Ich bin jetzt wieder alleine und ich möchte gerne bis nach Fondsbu. Obwohl ich weiß, dass die Hütte noch geschlossen ist halte ich sie irgendwie für das Eingangstor ins Jotunheimen Gebirge, und dahin soll es ja am nächsten Tag gehen.

Da ich weiß, dass es um die Hütte herum viele gute Zeltplätze gibt, peile ich sie also dennoch an. Als ich in Fondsbu ankomme finde ich auch tatsächlich schnell einen geeigneten Zeltlatz und baue neben dem Zelt auch gleich noch das Tarp mit auf. Weil das Wetter sehr wechselhaft ist und ich später beim Kochen nicht im Regen sitzen will halte ich das für eine gute Idee. Und tatsächlich stellt es sich als ein guter Plan heraus, kaum habe ich den Kocher angeworfen, fängt es zu regnen an. Wegen des Wetters verschwinde ich dann auch sehr frühzeitig im Zelt. Und schon wieder tun mir heute die Füße weh.

Weil ich so zeitig im Schlafsack lag, bin ich entsprechend früh wach. So komme ich aber auch wieder recht früh los. Während ich meine Stiefel anziehe fällt mir plötzlich etwas auf. Meine Einlegesohlen, die ich in den letzten Wochen sicherlich schon über hundert Mal zum Trocknen aus den Stiefel genommen habe, sind weg. Und als ich darüber nachdenke, wo sie wohl verloren gegangen sind, wird mir klar, dass die Dinger noch in der Hütte liegen, von der Andi und ich am Tag unseres 40km Asphaltmarschs aufgebrochen waren. Ich denke, das könnte eventuell die Fussschmerzen erklären. Ich mach mich also wieder ohne Sohlen auf den Weg. Nach zwei Stunden mache ich meine erste Pause. Eigentlich verstößt das ja gegen meine eigens aufgestellte Regel, aber nach einer Stunde bin ich noch immer am See und auch in Sichtweite der Hütte, darum nehme ich noch den ersten Anstieg mit. Direkt auf der Kuppe führt eine Hängebrücke über einen Fluss. Hier mache ich meine Pause. 50 Meter von mir entfernt stehen vier neugierige Rentiere, langsam trauen sie sich näher und ich habe Zeit langsam und vorsichtig die Kamera aus der Tasche zu holen. Es scheint, als würde die Gruppe für das Bild posieren. Richtig Angst haben sie jedenfalls nicht. Es sind aber auch keine Wilden Tiere, alle vier haben kleine Schilder an den Ohren. Sie scheinen Menschen gewöhnt zu sein. Als ich mich wieder auf den Weg mache, begleiten mich die vier sogar noch ein Stück. Immer wieder wird vorgelaufen, stehengeblieben, zurückgeschaut und weiter gerannt.

Wenig später kann man hinten im Tal schon den großen Gjende sehen. Die Berge ragen links und rechts hunderte Meter in die Höhe und dazwischen ist der riesige See. Dort unten, am Westufer befindet sich die DNT Hütte Gjendebu und dort fährt auch um 16:20 die Fähre hinüber bis nach Gjendesheim. Ich will mir tatsächlich die Fähre gönnen, das geht aber natürlich nur deshalb , weil ich den Bessegengrat schon zweimal zuvor gelaufen bin. Heute ändere ich aber mal die Perspektive. Ich glaube das geht klar.

In Gjendesheim angekommen beziehe ich im Schlafsaal Nummer 1 das Bett mit der Nummer 1. Der Schlafsaal ist mit 20 Betten aber nur drei weiteren Gästen alles andere als ausgebucht. Warum man uns allerdings die vier Betten in einer einzigen Ecke zugewiesen hat, ist mir unklar. Es hätte ja wirklich jeder eine eigene Ecke in dem großen Raum haben können. Aber egal.

Während des Abendbrots lerne ich zwei Finnen kennen. Harri ist Autor für Wanderführer und ist hier auf Recherchetour. Für den nächsten Tag hat er tatsächlich auch noch einen guten Tip für mich am Start. Es soll nämlich richtig stürmisch werden und es gibt neben der Route über den Berg auch noch einen durch das Tal wie er mir verrät. Ein super Tipp, ich habe am nächsten Tag die meiste Zeit Windstille, in den höheren Lagen ist dafür gut was los. Nur über die letzte Kuppe, in Richtung Oskampen, bläst es noch einmal so kräftig, dass ich einige Male meinen Fuß nicht sauber setzten kann, weil mich eine Böe zur Seite drückt.

Die Hütte Oskampen kenne ich schon von der Skitour im Februar letzten Jahres. Es war damals das erste Etappenziel und ich musste mit Christoffer auf den Bänken schlafen, weil nur acht Betten vorhanden waren. Trotzdem war es extrem gemütlich und so ist auch heute, zumal die beiden Norweger die schon vor mir angekommen waren, bereits eingeheizt haben. Wir essen gemeinsam zu Abend und sehen dabei dem Wetter zu, wie es einen dramatischen Sonnenuntergang in Richtung Jotunheimen in den Himmel zaubert.

Obwohl der Tag eigentlich gut war, ist mir aber doch eine dumme Sache passiert. Und solche dummen Sachen können mich immer noch aus der Ruhe bringen. Und alleine diese Tatsache, dass mich Kleinigkeiten aus der Ruhe bringen können, bringt mich dann aus der Ruhe.... Egal, beim Mittagessen knirscht es plötzlich in meinem Mund ich habe mir ein gutes Viertel vom Backenzahn (45) abgebrochen bzw zerbrochen. SCHEIßE! Es tut Gott sei Dank nicht weh, aber das nervt natürlich jetzt mal so richtig. 38 Jahre keine Problem und jetzt, hier, sowas. Bingo! Abends auf der Hütte habe ich Empfang und Google verrät mir, dass es in Vinstra, etwa 50km entfernt drei Zahnärzte gibt. Die Route für die nächsten Tage ist somit also gesetzt. Ich laufe am nächsten Tag bis nach Skåbu, und miete mir für zwei Nächte eine sehr niedliche kleine Hütte. Von hier ist es bis Vinstra nicht mehr weit und ich kann am nächsten Tag den Bus nehmen. Der einzige Bus der nach Vinstra fährt, hält vor dem Campingplatz um 7:00. Bis dahin kann ich zwar keinen Termin mehr organisieren aber ich fahre einfach auf gut Glück los, lungere noch 90 Minuten vor der Praxis herum und bin pünktlich um 8:30 am Empfang. Drei Minuten später habe ich einen Termin für 11:30 und um 12:00 verlasse ich die Praxis mit Krone. Heute ein König!

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